Projektbeschreibung

Im Projekt werden alternative Mobilitätskonzepte entwickelt und erprobt, um den grenzüberschreitenden Pendelverkehr am Hochrhein klimafreundlicher zu gestalten. 

Pendeln am Hochrhein soll klimafreundlicher werden. Wie dieses Ziel erreicht werden kann, wird am Beispiel der Arbeitswege von ABB Schweiz-Mitarbeitenden praxisnah erprobt. „Klimafreundlich Pendeln“ versteht sich damit als aktiver Teil der Verkehrs- und Energiewende in der Schweiz und Deutschland und will zu einer Reduktion von Luftschadstoffen beigetragen.

Bisheriges Mobilitätsverhalten

Zur Vorbereitung des Projektes wurde bei ABB Schweiz eine Machbarkeitsstudie zum klimafreundlichen Berufspendeln der deutschen Mitarbeitenden durchgeführt. Die Studie umfasste alle relevanten technischen und administrativen Aspekte für die Umsetzung eines vom Unternehmen unterstützten Pendlerkonzepts. Dazu gehört die Untersuchung des bisherigen Mobilitätsverhaltens der Pendelnden sowie ihrer Bereitschaft, auf elektromobile Car- und Ride-Sharing-Modelle umzusteigen. Dies hat unter anderem das Potenzial, CO2-Emissionen zu senken, Kosten einzusparen, nachhaltige Mobilität zu fördern, die Wertschöpfungskette der Elektromobilität zu stimulieren und die Loyalität zum Arbeitgeber zu festigen.

Steigende Pendlerzahlen

Hintergrund ist die hohe Zahl von Arbeitnehmenden, die täglich aus Deutschland zur ihren Arbeitsplätzen in die Nordschweiz pendeln. Allein aus den Landkreisen Lörrach und Waldshut pendeln über 34.000 Personen, mit einer durchschnittlichen jährlichen Zunahme von über 3 % seit 2003. Da das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs in der Hochrheinregion aufgrund von Siedlungsstruktur und Topographie mittelfristig nur begrenzt ausweitbar ist, stellt sich die Entwicklung der grenzüberschreitenden (Individual-)Elektromobilität als besonders vielversprechend dar.

Beginn der Praxisphase

Das Ergebnis der Machbarkeitsstudie mündet im Juli 2016 in eine Praxisphase bei ABB Schweiz, die wissenschaftlich begleitet wird. Der Umstieg auf Elektrofahrzeuge und die Bildung von Fahrgemeinschaften werden durch geeignete Mechanismen gefördert. Dabei werden die damit verbundenen Umweltauswirkungen ermittelt, wie z. B. die Reduktion von CO2-Emissionen gegenüber der Nutzung eines konventionellen Fahrzeugs. Ein wichtiges Projektergebnis besteht in der Veröffentlichung und Verbreitung der gesammelten Erfahrungen, damit auch andere Unternehmen ähnliche Mobilitätsstrategien anwenden und dabei von den Erfahrungen profitieren können.

Das Wichtigste in Kürze

  • Projektziel ist die Entwicklung eines klimafreundlichen Pendelkonzepts am Beispiel von Grenzgängern aus Deutschland.
  • Eine Vorstudie zum Projekt zeigte Potenzial für den Ausbau von nachhaltigen Mobilitätkonzepten in der Grenzregion
  • Die steigende Zahl von grenzüberschreitend Pendelnden führt u. a. zu einem Anstieg der CO2-Emissionen. Da der ÖPNV nur begrenzt ausweitbar ist, liegt der Fokus auf alternativen Mobilitätskonzepten für Autofahrende.
  • Mit geeigneten Mechanismen wird in einem Pilotversuch der Umstieg von Pendelnden auf Elektrofahrzeuge sowie die Bildung von Fahrgemeinschaften untersucht und wissenschaftlich begleitet.
  • Ein wichtiges Projektergebnis ist die Veröffentlichung und die Verbreitung der gesammelten Erfahrungen.

Zwischenstand des Projekts

Im Folgenden sind die durchgeführten Massnahmen des Projekts Klimafreundlich Pendeln näher beschrieben. Die Übersicht zu den einzelnen Handlungsfeldern stellt erste Erkenntnisse dar und erläutert die Herausforderungen. Ebenso sind die Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Mobilitätsmanagements-Massnahmen beschrieben. Zur Bewertung der Umweltauswertung wird die Ökobilanzierung herangezogen.

Elektromobilität

Will ein Unternehmen seinen Mitarbeitenden die Möglichkeit geben, Elektrofahrzeuge am Arbeitsort aufzuladen, empfiehlt sich die Installation einer Ladesäule und/oder die Zurverfügungstellung von Steckdosen in Parkplatznähe. An modernen Schnellladestationen für Elektroautos kann innerhalb von rund 20 Minuten Energie für 150 Kilometer geladen werden. ABB Schweiz stellt an allen grossen Standorten moderne Schnellladestationen zur Verfügung – für eigene Mitarbeitende aber auch für die Öffentlichkeit. Die Benutzung der Ladestationen ist gratis, aber zeitlich limitiert. Letzteres, damit die Ladeplätze nicht von einzelnen Fahrzeugen zugeparkt werden. An Standorten mit vielen Elektrofahrzeugen empfiehlt sich eine Kontrolle der Ladesäulennutzung. ABB Schweiz arbeitet dazu mit Parkuhren.

Zoll- und Steuerfragen bei Firmenwagen

Im Pilotprojekt für klimafreundliches Pendeln im Grenzverkehr hat ABB Schweiz ihrer Belegschaft mit Wohnort in Deutschland das Angebot unterbreitet, ein Elektrofahrzeug vergünstigt zu leasen. Da die Autos über ABB Schweiz geleast werden, handelt es sich um Firmenwagen. Wird ein Schweizer Firmenwagen in Deutschland genutzt, sind spezielle zollrechtliche Voraussetzungen zu erfüllen. Das Unternehmen und die Mitarbeitenden müssen die Fahrzeuge ausserdem korrekt versteuern. Eine frühzeitige Abklärung dieser zoll- und steuertechnischen Fragen empfiehlt sich. Aus der Projekterfahrung kann das Projektteam von „Klimafreundlich Pendeln“ empfehlen, rund drei Monate vor der Bestellung der Fahrzeuge sämtliche technischen Fragen zu klären und alle Beteiligten möglichst frühzeitig zu informieren. Zusätzliche Steuern, die sich durch die Benutzung eines Firmenwagens ergeben, können einen Hemmnis für die Projektteilnahme sein.

Sobald die Frage der Lademöglichkeiten in Parkplatznähe, sowie die zoll- und steuerrechtlichen Konsequenzen geklärt waren, konnte der Fahrbetrieb mit den Elektroautos im Pilotprojekt für klimafreundliches Pendeln am 1. Juli 2016 aufgenommen werden.

Fahrgemeinschaften

Mit dem Versuch „Anreizgestaltung für Fahrgemeinschaften“ haben ABB Schweiz und Hochschule Reutlingen herausgefunden, dass organisatorische Unterstützung effektiver ist, als finanzielle Anreize.

Die beiden Klimafreundlich Pendeln Partner führten das Experiment mit extrinsischen Anreizen und anschliessender qualitativer Befragung mit den grenzpendelnden, deutschen Mitarbeitenden an den ABB Schweiz Standorten Baden und Turgi durch. Der Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der ESB Business School an der Hochschule Reutlingen betreute den Versuch im Rahmen einer Bachelorarbeit. Für den Versuch wurden extrinsische Anreize ausgewählt: In Turgi erhielten alle neuen und bereits bestehenden Fahrgemeinschaften eine dreimonatige Befreiung von der monatlichen Parkplatzgebühr. Die Badener Grenzpendelnden erhielten zusätzlich noch eine Parkplatzreservierung als weiteren Vorteil.

Extrinsische Anreize alleine waren nicht wirksam

Mit der Versuchsdurchführung zeigte sich, dass die extrinsischen Motivationsanreize nicht ausreichend waren, um die gewünschte Verhaltensänderung herbeizuführen. Wenngleich sich fast alle bestehenden Fahrgemeinschaften sofort für die Anreize anmeldeten, gab es nur sehr vereinzelte Interessensbekundungen von Mitarbeitenden, die zu diesem Zeitpunkt noch keine Fahrgemeinschaft hatten. Verschiedene Kommunikationsmassnahmen (E-Mail Newsletter, Flyer an PKW, Kennenlernmittagessen) blieben erfolglos. Erst das Durchführen eines aktiven Matchings, d.h. das Ansprechen von möglichen Partnerinnen und Partnern für die Interessierten, zeigte schliesslich Erfolg.

Mitarbeitende wünschen sich mehr Unterstützung

Die Auswertung der qualitativen Befragung hat gezeigt, dass viele Mitarbeitende einen finanziellen Anreiz zwar gerne „mitnehmen“, ausschlaggebend für Verhaltensänderungen sei dieser aber nicht. Stattdessen wünschen sich viele Mitarbeitende mehr Unterstützung vom Arbeitgeber beim Finden eines Partners oder einer Partnerin für die Fahrgemeinschaft. Dabei spielen sowohl der geografische Faktor, als auch die Frage nach ähnlichen Arbeitszeiten eine wichtige Rolle. Mögliche Handlungsfelder für Arbeitgeber sind somit beispielsweise das Einführen eines Fahrgemeinschaftsportals im Intranet oder einer Fahrgemeinschafts-App. Darüber hinaus können manuelle Matchingaktionen und das Bereitstellen von Informationen über kostenfreie Parkplätze als Treffpunkte für Fahrgemeinschaften weitere effektive Mittel darstellen.

Carsharing

Private Personenkraftfahrzeuge stehen durchschnittlich 23 Stunden am Tag still. Carsharing (CS), also die gemeinschaftliche Nutzung eines Autos durch mehrere Personen, erhöht auf der einen Seite die Bewegung eines Fahrzeugs und reduziert auf der anderen Seite die Herstellung von Fahrzeugen. Da die Fixkosten auf mehrere Nutzer verteilt werden, ergeben sich zudem finanzielle Vorteile.

Die Organisation eines geteilten Autos kann von unterschiedlichen Akteuren ausgehen. Beim privaten CS, auch Peer-to-Peer-Carsharing, teilen einzelne Personen privat ein Auto mit andern, z.B. über eine Onlineplattform. Professionelle Carsharing Organisationen bieten mehrere Fahrzeuge in einer Stadt, Region oder auch überregional an. Eine weitere Form ist das Corporate Carsharing (CCS), auch als Business Carsharing bezeichnet. Hierbei bietet ein Unternehmen oder eine Organisation die Fahrzeuge des Fahrzeugpools seinen Mitarbeitenden an.

Corporate Carsharing

Im Projekt wird das Modell des Corporate Carsharings mit einem Emobil erprobt. Ein Pendler aus Deutschland nutzt hierzu ein Pool-Fahrzeug von ABB Schweiz für seine Fahrten vom Arbeits- zum Wohnort und wieder zurück. Während der Arbeitszeit steht das Fahrzeug anderen Mitarbeitenden von ABB Schweiz für Dienstfahrten zur Verfügung. Die Reservierung erfolgt über das unternehmensinterne Buchungssystem.

Animation Corporate Carsharing

Die Herausforderungen bei dieser dualen Nutzung entstehen zum einen bei der Technik. Abhängig von der am Arbeitsort zur Verfügung stehenden Ladeinfrastruktur wird die betriebliche Nutzung eingeschränkt. Bei einer Ladesäule mit niedriger Ladeleistung (z.B. 3,7 kW) muss nach einer Dienstfahrt ein entsprechender Ladezeitpuffer eingeplant werden, damit der Pendler nach Feierabend noch nach Hause kommt. Mit einer Schnellladesäule (50 kW) entfällt diese Restriktion nahezu (siehe Tabelle 1). Zum anderen wirkt sich die Arbeitszeit des Pendlers auf das Nutzungsfenster für Dienstfahrten von anderen Mitarbeitenden aus. Arbeitet der Berufspendelnde zum Beispiel im Schichtbetrieb, so ist die Nutzung durch Kollegen eingeschränkt. Zoll- und steuertechnische Fragen sind des Weiteren zu berücksichtigen.

Tabelle 1: Ladezeitpuffer* in Stunden
Tabelle 1: Ladezeitpuffer* in Stunden in Abhängigkeit von Ladeleistung und Absolvierter Dienstfahrt.
Ökobilanzierung

Mit dem Ziel von tieferen Kosten und einer geringeren Umweltbelastung, versuchen Unternehmen mit verschiedenen Massnahmen Ressourcen-& Energieverbräuche und damit verbundene Emissionen zu senken. Um den Einfluss der Massnahmen auf Mensch und Umwelt zu erfassen, bietet sich die etablierte und umfassende Methode der Ökobilanzierung an. Sie eignet sich zur Abschätzung der Umweltbelastung von Dienstleistungen und Produkten und berücksichtigt den gesamten Lebenszyklus, von der Herstellung bis zur Entsorgung bzw. Wiederverwertung. Die für die Bilanzierung benötigten Daten können zum Teil genau erfasst, zum Teil aber nur abgeschätzt werden. Für viele Rohstoffe, Halbfabrikate, Produkte und Dienstleistungen bestehen bereits Datenbanken, welche als Grundlage verwendet werden können.

Elektromobilität

Elektrofahrzeuge verursachen lokal zwar keine CO2-Emissionen, sind jedoch gesamthaft nicht unter allen Umständen umweltfreundlicher als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Damit die Elektromobilität eine bessere Bilanz ausweist, sind ein niedriger Verbrauch und vor allem die Herkunft der elektrischen Energie wichtig. Diese sollte möglichst aus erneuerbaren Quellen stammen.

Pilotprojekt

Im Pilotprojekt klimafreundlich Pendeln wird das Mobilitätsverhalten der Pendler und die damit verbundene Umweltbelastung vor und während dem Projekt verglichen. Verbräuche, Fahrleistungen und Ladeorte werden durch eine periodische Erfassung mittels Fahrtenbuch aufgezeichnet. Anhand der erhobenen Daten der Nutzungsphase, ergänzt durch Daten zu Produktion und Entsorgung aus Datenbanken, wird die Umweltbelastung berechnet. Die Reduktion von Fahrleistungen durch Fahrgemeinschaften fliesst ebenfalls in die Bilanzierung ein.

Interreg-Förderung

Klimafreundlich Pendeln wird von Juli 2015 bis Juni 2018 durch Interreg V Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein gefördert. Interreg ist ein Regionalprogramm der Europäischen Union zur Förderung grenzüberschreitender Zusammenarbeit, an dem auch die Schweiz beteiligt ist.

Klimafreundlich Pendeln am Hochrhein wird gefördert von:
Logoleiste