Klimafreundlich Pendeln: Ökobilanz

Umweltbewusste Bürgerinnen und Bürger stehen häufig vor schwierigen Entscheiden. Soll ich Kunststoffe separat sammeln oder mit dem Kehrichtsack verbrennen lassen? Soll ich meinen Einkauf in der Plastik- oder Papiertragtasche nach Hause bringen? Frisst vielleicht die Herstellung von Photovoltaik-Panels so viel Energie, dass damit netto gar kein Vorteil bleibt? Ab welcher Kilometerleistung lohnt sich umweltmässig der Einsatz eines privaten Elektrofahrzeugs, und wenn überhaupt, unter welchen Umständen?

Üblicherweise werden für solche Fragen sogenannte Ökobilanzen konsultiert. Ökobilanzen können nicht nur Aussagen darüber liefern, ob ein Verhalten im Vergleich zu den zur Verfügung stehenden Alternativen bezüglich Umweltbelastung besser oder schlechter dasteht. Sie können auch – und das ist der wichtigere Aspekt – transparent machen, welches die entscheidenden Einflussfaktoren sind, die wir optimieren können. Ein triviales Beispiel: Eine Tragtasche aus Kunststoff mag in der Herstellung weniger Umweltbelastungen verursachen als eine solche aus Papier – wenn ich aber die Papiertragtasche fünfmal wiederverwende, sieht die Bilanz für den gesamten Lebenszyklus (der Tragtasche...) ganz anders aus.

Ziel der Ökobilanz

Im Projekt „Klimafreundliches Pendeln“ wurde das Instrument der Ökobilanz eingesetzt, um herauszufinden, ob die Verwendung von Elektrofahrzeugen unter den gegebenen Umständen tatsächlich eine Verringerung der Umweltbelastung – beispielsweise in Form von CO2-Emissionen – zur Folge hat. Insbesondere analysierten wir, welche Faktoren die Umweltbelastungen am stärksten beeinflussen.

Was ist eine Ökobilanz?

Die Ökobilanz besteht aus Sachbilanz, Wirkungsbilanz und Bewertung. Die Sachbilanz bildet ein System mit allen Stoff- und Energieströmen ab, auch von vor- und nachgelagerten Prozessen. In diesem Projekt umfasst dies die Fahrzeuge (Produktion, Nutzung, Entsorgung) und die benötigte Infrastruktur. Die Wirkungsbilanz quantifiziert die Umweltauswirkungen der Prozesse gemäss Sachbilanz. Dazu wurde die Ökobilanz-Software SimaPro V8.4 verwendet. Für die Bewertung wurden die folgenden zwei Methoden gewählt:

  1. Die Methode des Treibhauspotenzials fasst verschiedene Treibhausgase zu CO2-Äquivalenten (CO2e) zusammen. Diese gelten als Masszahl für die Erderwärmungswirkung über den Zeitraum von 100 Jahren.
  2. Die Methode der Ökologischen Knappheit fasst verschiedene Umweltauswirkungen zu einer Kenngrösse, den Umweltbelastungspunkten (UBP), zusammen. Je höher die Anzahl UBP, desto grösser die Umweltbelastung.

Als Vergleichsbasis (funktionelle Einheit) diente die zurückgelegte Pendelstrecke in einem Jahr. Um die Reduktion der Umweltbelastung im Projekt zu quantifizieren, wurde das Mobilitätsverhalten der Teilnehmenden vor und während des Projekts verglichen. Die Ökobilanz berücksichtigte zudem den gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge, insbesondere die Produktion inklusive Batterie, die Nutzungsphase und die Entsorgung bzw. das Recycling. Die Projektergebnisse wurden auf verschiedene Szenarien mit grösseren Pendlerströmen hochgerechnet.

Ergebnisse

Die Umweltbelastung der 17 bilanzierten Pendler betrug vor dem Projekt rund 99 t CO2e bzw. 130 Mio. UBP pro Jahr. Durch den Einsatz von Elektrofahrzeugen und die Förderung von Fahrgemeinschaften konnte die Umweltbelastung während des Projekts auf 54 t CO2e bzw. 89 Mio. UBP pro Jahr reduziert werden. Zum Vergleich: In der Schweiz verursacht ein Mensch pro Jahr etwa 20 Mio. UBP. Auf die Dauer umweltverträglich wären etwa 7 Mio. UBP pro Jahr.

Die Umweltbelastung ist von verschiedenen Parametern abhängig, z.B. vom verwendeten Strommix, mit dem die Elektrofahrzeuge geladen werden. Welchen Einfluss der Strommix haben kann, zeigt folgendes Beispiel:

Die fünf Pendler, die während des Projekts ausschliesslich mit einem Elektrofahrzeug pendelten, konnten  im Zeitraum von einem Jahr ihre Umweltbelastung um 24.7 t CO2e (66%) reduzieren. Sie haben ihre Fahrzeuge vorwiegend mit Schweizer Strom oder mit Strom von einer Photovoltaikanlage geladen. Würden die fünf Pendler ihre Elektrofahrzeuge nur mit dem deutschen Strommix laden, ergäbe sich eine Reduktion der Umweltbelastung von 13.4 t CO2e (36%). Würden sie zertifizierten Schweizer Ökostrom verwenden, resultierte eine Reduktion von 27.3 t CO2e (72%).

Szenarien

Aus den Landkreisen Lörrach und Waldshut pendeln täglich rund 12’000 Personen in die Kantone Aargau und Schaffhausen. Bei einer durchschnittlichen Pendelstrecke von 36 km pro Weg (72 km pro Tag) und einem Modalsplit von 76.5% konventionellen Fahrzeugen, 20% ÖV, 2.2% E-Bike und 1.3% Fahrgemeinschaften verursachen die 12’000 Grenzpendler im Projektgebiet 48’000 t CO2e oder 62 Mia. UBP pro Jahr.

Zur Veranschaulichung von möglichen Einsparungen wurden die Projektergebnisse auf vier Szenarien („Ist-Zustand“, „Realist“, „Optimist“, und „Maximum“) hochgerechnet. Darstellung 1 zeigt die jeweiligen Einsparungen an CO2-Emissionen. Bereits im Szenario „Realist“ (Annahme: 50% konv. Fahrzeuge, 20% ÖV, 7.5% Fahrgemeinschaften, 20% Elektrofahrzeuge, 2.5% E-Bike) beträgt die berechnete Reduktion 8’100 t CO2e pro Jahr, was dem inländischen pro Kopf Ausstoss von rund 1400 Personen entspricht (Schweizer Durchschnitt).

Umweltbelastung verschiedener Szenarien des Pendlerverhaltens
Darstellung 1: Umweltbelastung verschiedener Szenarien des Pendlerverhaltens

Einflussfaktoren

Durch systematische Variation verschiedener möglicher Einflussfaktoren auf die Umweltbelastung lassen sich folgende Aussagen ableiten (vgl. Darstellung 2):

Auf die jährliche Umweltbelastung in CO2e hat die Jahresfahrleistung (zurückgelegte Kilometer pro Jahr) den grössten Einfluss.

Daneben haben eine hohe Lebensdauer des Fahrzeugs, der Verbrauch, das Gewicht des Fahrzeugs, die Lebensdauer der Batterie und das Gewicht der Batterie in dieser Reihenfolge einen grossen bis kleineren Einfluss.

Werden allerdings nur die Umweltbelastungspunkte betrachtet, so hat die Batterie (Lebensdauer und Gewicht) einen grösseren Einfluss als der Verbrauch.

Darstellung 2: Umweltbelastung von Elektrofahrzeugen (CO2e) in Abhängigkeit von verschiedenen Parametern
Darstellung 2: Umweltbelastung von Elektrofahrzeugen (CO2e) in Abhängigkeit von verschiedenen Parametern

Vom Nutzer sind nur die Jahresfahrleistung und der Verbrauch direkt beeinflussbar. Er kann auf unnötige Fahrten verzichten, Fahrgemeinschaften nutzen und gemässigt fahren. Die Lebensdauer von Fahrzeug und Batterie kann allenfalls durch eine vorsichtige Handhabung verlängert werden.

Fazit

Der grösste Teil der Grenzpendler im untersuchten Gebiet pendelt gegenwärtig alleine in einem konventionellen Fahrzeug (Diesel / Benzin), wodurch sich folgende Möglichkeiten zur Reduktion der Umweltbelastung (CO2e) ergeben:

  1. Umstieg auf ein (Elektro-)Fahrrad (bei kleineren Fahrdistanzen):
    Reduktion der Umweltbelastung um über 90%. Bei Verwendung von Elektrofahrrädern führt das Laden mit Strom aus erneuerbaren Quellen zur grössten Reduktion.
  2. Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel (wo möglich):
    Reduktion der Umweltbelastung um über 70%, wobei das Pendeln im Zug die Umweltbelastung stärker reduziert als das Pendeln mit Bussen.
  3. Bildung von Fahrgemeinschaften:
    Die Reduktion der Umweltbelastung durch Fahrgemeinschaften hängt von der Anzahl beteiligter Personen ab. Fahrgemeinschaften benötigen keine wesentlichen Investitionen. Fahrgemeinschaften mit Elektrofahrzeugen können die Umweltbelastung weiter senken.
  4. Ersatz des konventionellen Fahrzeugs durch ein Elektrofahrzeug:
    Die Reduktion der Umweltbelastung kann abhängig von verschiedenen Faktoren über 60% betragen, allerdings nur, wenn das Fahrzeug mit erneuerbaren Strom aufgeladen wird. Bei Verwendung von z.B. deutschem Strommix ist die Reduktion, verglichen mit Schweizer Strommix, geringer.

th/tk20180320

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